DNA von eineiigen Zwillingen nicht komplett identisch


Eineiige Zwillinge - CC-BY Dfisun

Eineiige Zwillinge – CC-BY Dfisun

Neue genetische Erkenntnisse zu eineiigen Zwillingen: Deren Genom wird sozusagen von der Empfängnis an, von denselben Zellen ausgehend aufgebaut. Dies kann bei Vaterschaftstests bzw. forensischen Ermittlungen zu unlösbaren Problemen führen. Eine aufwändige Sequenzierung der DNA mit moderner höchster Auflösung bestätigt nun, dass es tatsächlich möglich ist, eineiige Zwillingen anhand der DNA zu unterscheiden. Die Zwillinge sind am Anfang (16 bis 150 Zellen) ein Embryo, der sich dann in die zwei zunächst identischen „Zellhäufchen“ teilt. Ab diesem Zeitpunkt entstehen einige wenige (1 bis 5) der nachweisbaren individuellen genetischen Mutationen (SNPs), welche wir alle im Genom haben, in den zwei Embryonen getrennt. Zum Vergleich: laut Kong et al 2012 werden im Schnitt bereits 55 SNPs in den väterlichen und 14 in den mütterlichen Gameten erzeugt, Xue et al 2009 und Krawczak et al 2011 schätzen 10–40 SNPs pro väterlicher Generation. Diese individuellen SNPs werden an Kinder weitergegeben (50% Wahrscheinlichkeit) und machen das biologische Elternteil mit den neusten Genom-Auslese-Methoden (50-90x mit NGS) auch bei eineiigen Zwillingen nachweisbar. Dabei gibt es aber Unterschiede in der Nachweisbarkeit im Zellmaterial unterschiedlicher Herkunft: während im Sperma bis zu 5 Mutationen bei Vater/Kind nachweisbar waren, konnte im Blut nur eine festgestellt werden. Das theoretische Paper von Krawczak et al 2011, welches diese Fakten vorausgesagt hat, ist leider nicht Open Access. Das Beweis-Paper von Weber-Lehmann et al 2013 mit den interessanten Details ist frei zugänglich. Zitat aus einem Bericht von Nina Weber auf SPON:

[…], rechneten Forscher um Michael Krawczak von der Universität Kiel im vergangenen Jahr vor. In mindestens 83 Prozent der Fälle müsste sich demnach mindestens eine Mutation finden, die einer der Zwillinge und seine Nachkommen tragen – der andere Zwilling jedoch nicht. „Der Anstoß für das Gedankenexperiment war ein damals in Deutschland anhängiger Vaterschaftsprozess, bei dem der mutmaßliche Vater einen eineiigen Zwilling hatte“, sagt Krawczak. „Solche Streitfälle konnten bislang mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht gelöst werden.“
[…]
Eine Forschergruppe des Unternehmens Eurofins Genomics aus Ebersberg hat jetzt nachgewiesen, dass die genetische Unterscheidung eineiiger Zwillinge tatsächlich in der Praxis möglich ist. Im Fachmagazin „Forensic Science International: Genetics“ berichten Burkhard Rolf und seine Kollegen von dem aufwendigen Experiment. „Es freut mich, dass unsere Vorhersage jetzt empirisch belegt wurde“, sagt Krawczak.

Nachtrag vom

Die geschilderten neuen technischen Möglichkeiten kamen im April 2014 einem Staatanwalt in Suffolk zu Ohren, welcher die Firma Eurofins Genomics für $100,000 beauftragte, die DNA aus Raub- und Vergewaltigungsfällen 2004 in Boston, mit der DNA von eineigen Zwillingen zu vergleichen, um den wahrhaft Schuldigen vor Gericht zweifelsfrei präsentieren zu können. Ein detaillierter Artikel dazu im Boston Globe.